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Vom innerlichen, mystischen Stillesein
Miguel de Molinos (1627-1687)

Es gibt drei Arten des Schweigens. Die erste ist das der Worte, die zweite das des Begehrens, und die dritte das der Gedanken. Die erste ist vollkommen, die zweite vollkommener und die dritte am vollkommensten. Durch das Schweigen der Worte erwirbt man Kraft; durch das Schweigen des Begehrens erlangt man Ruhe; durch das Schweigen der Gedanken kommt man zur innerlichen Sammlung. Durch Nichtsprechen, Nichtwollen und Nichtdenken gelangt man zur wahren und vollkommenen mystischen Stille, worin Gott mit der Seele spricht, sich ihr mitteilt, und ihr im Abgrunde seiner eigenen Tiefe die vollkommenste und erhabenste Weisheit lehrt.
Gott beruft und führt die Seele zu dieser inneren Abgeschiedenheit und mystischen Stille, wenn er sagt, dass er zu ihr allein sprechen will in dem geheimsten und verborgensten Gemache des Herzens.

Du sollst in diese mystische Stille eingehen, wenn du die süße, innere und göttliche Stimme zu hören begehrst. Um diesen Schatz zu erlangen, genügt es nicht, die Welt zu verlassen, noch auch allen eigenen Wünschen und geschaffenen Dingen zu entsagen, solange du nicht auch alles eigene Wollen und Denken aufgibst. Darum ruhe in dieser mystischen Stille und öffne das Tor, damit Gott sich dir mitteilen, sich mit dir vereinigen und dich in sich umbilden kann.

Die Vollkommenheit der Seele besteht nicht in vielem Reden oder Nachdenken über Gott, sondern in rechter Liebe zu ihm. Diese Liebe wird durch vollkommene Ergebung und innerliches Stillesein erlangt; das Tun ist alles.

Dies bestätigt und schärft uns Johannes, der Evangelist, mit folgenden Worten ein: "Meine Kindlein, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit." (1. Joh. 3,18)

Du bist nun darüber zur Klarheit gekommen, dass vollkommene Liebe nicht nur in liebevollem Tun oder zärtlichen Ergüssen besteht, noch weniger im innerlichen Tun, womit du Gott beteuerst, dass du eine unendliche Liebe zu ihm empfändest und ihn mehr liebtest wie dich selbst. Es kann sein, dass du dich und deine Eigenliebe dabei mehr suchst, als die wahre Gottesliebe, weil Liebe in den Werken, nicht in schönen Redensarten besteht. Um einem Geschöpf, das mit der Vernunft begabt ist, den verborgenen Wunsch und Willen deines Herzens erkennen zu lassen, musst du dich mit Worten ausdrücken. Gott aber, welcher das Herz prüft, bedarf deines äußerlichen Bekenntnisses und deiner Versicherungen nicht, noch ist er, nach den Worten des Evangelisten, mit der Liebe in Worten und mit der Zunge zufrieden; sondern allein mit derjenigen Liebe, die wahr und tatkräftig ist.

Was nutzt es, ihm mit großem Eifer und Inbrunst zu versichern, dass du ihn über alles, zärtlich und vollkommen, liebst; du kannst dich aber bei einer dir zugefügten kleinen Beleidigung nicht verleugnen, noch aus Liebe zu ihm deine Persönlichkeit vergessen. Das ist ein offenbarer Beweis, dass deine Liebe eine solche mit der Zunge, nicht mit der Tat ist.

Trachte danach, bei allem ergebungsvoll zu sein und du wirst dadurch ohne ihm zu erklären, dass du ihn liebst, die vollkommenste, ruhigste, wirksamste und wahre Liebe erlangen. Petrus versicherte dem Herrn sehr eifrig, dass er gern bereit wäre, sein Leben für ihn zu opfern. Aber auf die Frage einer jungen Magd verleugnete er ihn und mit seinem Eifer war es zu Ende. Maria Magdalena verlor nicht ein Wort und dennoch wurde der Herr freudig berührt von ihrer vollkommenen Liebe, indem er sagte, dass sie viel geliebt habe. - Es ist daher wahr, dass im stummen Schweigen die höchsten Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und Liebe ausgeübt werden, ohne dass es nötig ist, Gott zu beteuern, dass du ihn liebst, an ihn glaubst und auf ihn hoffst. Denn der Herr kennt besser als du die wirklichen Empfindungen des Herzens. Wie gut wurde jene reine Art von Liebe von dem tiefen und großen Mystiker, dem verehrungswürdigen Gregorius Lopes, erkannt und ausgeübt, dessen ganzes Leben ein fortwährendes Gebet und eine anhaltende Beschaulichkeit von so reiner und geistiger Liebe zu Gott war, dass er niemals Gefühlserregungen und sinnlichen Empfindungen Raum gab.

Nachdem er drei Jahre hindurch beständig innerlich gebetet hatte:
"Dein Wille geschehe in Zeit und Ewigkeit", mit jedem Atemzug diese Worte wiederholend, offenbarte ihm die göttliche Allmacht den unerschöpflichen Schatz reiner und stetiger Glaubens- und Liebeskraft, in Schweigen und Ergebung, so dass er von sich sagen konnte, dass er während der 36 Jahre, welche er noch lebte, jene reine Kraft der Liebe ununterbrochen in seinem Innern besessen habe, ohne jemals das geringste selbstsüchtige Verlangen oder irgendetwas Sinnliches, oder der Natur Entsprungenes, an sich gezeigt zu haben. - 0 verkörperter Seraph und vergöttlichter Mensch. Wie wohl verstandest du es, dich in die innere, mystische Stille zu versenken und den äußeren von dem inneren Menschen zu unterscheiden!

Christus in mir
Johannes Goßner (1773-1858)

Ruhig und still muss dein Innerstes sein, soll Gott in dir wirken können, sollst du mit ihm eins werden. Solange Eigenwirken oder irgend der geringste Widerstand gegen Gottes Wirken in dir ist, kann er nicht rein und lauter in dir wirken. Und er will und soll doch alles in allem sein. Es soll doch dahin kommen mit dir, dass du sagen kannst: Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus in mir.
Damit nun der Mensch ein Geist mit Gott werden könne, muss er unausgesetzt sich bestreben und üben in gänzlicher und wahrer Entsagung alles dessen, was Gott nicht ist und vollkommen und in wahrer Liebe sich zu Gott, der im Grunde unseres Herzens ist, einwenden, und in dieser Absicht alle seine Kräfte, sein ganzes Gemüt, alle seine Sinne sammeln.

Doch auch das reicht nicht hin: Gott muss schenken seine Gnade, muss unterstützen, muss uns führen und leiten in unser Inneres, durch ihn nur ist diese heilsame Einkehr möglich. Er muss zuerst in uns sein, er muss das wirken, was unsere Kraft nicht vermag, er muss uns erheben über uns selbst, er muss uns zu sich ziehen, er uns in sich versetzen. - Man kann nicht zwei Dingen zugleich anhangen - Gott und Nicht-Gott, Geist und Fleisch, Welt und Himmel, Äußerem und Innerem, Sichtbarem und Unsichtbarem, Christo und Nicht-Christo; will ich zu einem mich wenden, muss ich mich vom anderen kehren; will ich in einem sein und bleiben, muss ich vom anderen mich entfernen. Zwei Herren kannst du nicht dienen - oder es hat einer nur deinen Mund, der andere dein Herz. - Wer dein Herz hat, der hat dich, den hast du. Ist es nun aber dein Ernst, ganz Gottes - ganz Christi zu werden, so kehre einmal allem anderen den Rücken, reiß, reiß dein Herz von allem los, und gib es ohne Aufhören dem, des du sein willst. Doch denke nicht, dass du dich durch dich selbst von dir selbst losreißen und Gott geben kannst - bitte ihn, dass er dich dir selbst nehme, und lass nicht nach mit ernstem Bitten, bis er es tut.

Fragst du nach der nächsten und der besten Vorbereitung dazu? So nimm die Antwort: Lerne inne bleiben, gewöhne dich an das Eingehen in dein Herz, da innen wird dir das Licht aufgehen und leuchten, da wirst du hören die Sprache des Geistes, wirst fühlen sein Anregen, wirst vernehmen, worauf du deinen Fleiß und deine Aufmerksamkeit wenden sollst. Denn der Geist Gottes zieht und treibt ohne Unterlass die Seinigen, und deren einer willst du ja doch sein? Bleibst du aber im Äußeren stehen, so hast du dessen alles keine Kunde, denn der äußere Mensch weiß von dem allem nichts. - Von außen können wir Gott und seinen Geist nicht wahrnehmen. Wer daher zu Gott kommen will, muss glauben, dass er ist und sich im Geist offenbare dem, der ihn da sucht. Wer aber immer zu den Fenstern seiner Sinne hinausschaut, wie kann der wissen, was inwendig in ihm ist, wie kann er Gottes wahrnehmen und seines Geistes Wirkungen spüren oder beantworten, da er nicht daheim, nicht bei sich ist. Willst du daher ein geistiger Mensch sein oder Christo angehören (denn wer den Geist Christi nicht hat, gehört ihm nicht an, Röm. 8), so wandle im Geist, so kehre ein im Geist, so höre sein sanftes Säuseln und Wehen, so lass dich von ihm treiben und regieren. Wozu treibt er uns denn?

Er lockt, zieht und treibt die Seinigen auf die Entsagung, Armut des Geistes, auf die Reinheit, Einfalt und ruhige Stille. Die Natur, die im Dienst der Sinnlichkeit steht, die Welt und der Satan verführen und reizen zur Mannigfaltigkeit, Zerstreuung, Unruhe, zum wilden Treiben nach außen. -Daraus kannst du deutlich erkennen, wes Geistes Kind du bist, welcher Geist dich treibt oder welchem du folgst. Komm herein, du Gesegneter des Herrn, ruft der Geist Gottes, und bist du ein Kind Gottes und des guten Geistes, so kehrst du ein, so zieht es dich hinein ins Land des Friedens. Komm heraus, zerstreue dich, suche Gesellschaft, Unterhaltung, ruft der Geist der Natur, der Welt und des Satans. Und bist du ein Welt- und Naturkind, so folgst du diesem Locken und kehrst dem Geist Gottes in dir den Rücken. Wo soll da Friede werden?

Der innere und innige Mensch soll daher danach trachten, dass er den gegenwärtigen Gott in sich wahrnehme, darum muss er inne bleiben, Gott Raum und eine Stätte bereiten und geben, dass er sein Werk in ihm vollführen könne. Denn Gottes Stätte ist ja allein inwendig in uns (Luk. 17). -

0 großes und herrliches Evangelium! Menschenkinder, wie seid ihr vor Gott begnadigt, wie könnt ihr Gott so nahe haben und erfahren! Und ihr wollt nicht, ihr könnt die nichtigen Dinge, die euch im Äußeren fesseln, nicht verlassen und Gott opfern, da er sich doch selbst inwendig euch schenken will. Welche Zunge kann die Verkehrtheit des Menschen aussprechen? Wer gibt unseren Augen Wasser genug, um unser Verderben zu betrauern?

Wie magst du über deine Armut, dein Elend, deine Dürftigkeit klagen - du suchst ja selbst nicht die Stelle auf, wo der Schatz für dich bereitet liegt? Unnütz ist dein Klagen, du suchst nicht da, wo der Schatz zu suchen ist. Willst du die Sonne anklagen, dass sie nicht in deine Wohnung scheint, und du verschließest ihr den Eingang; öffne die Fenster, die Läden, so geht sie mit aller Herrlichkeit ihres Lichtes und Wärme ein. Du klagst, der Herr gebe dir nicht, ziehe dich nicht, du fühlest seine Gegenwart nicht! Mache ihm nur Platz in dir, bereite ihm eine Stätte, öffne dein Herz ihm; gehe ein, der Herr ist da, du wirst ihn fühlen und finden. - Die Klage Augustins über sich selbst ist bekannt, dass er Gott, der in ihm war, lange außer sich gesucht und deswegen nicht gefunden habe, bis er in sich einkehrte. Gott ist inwendig und du auswendig; Gott ist nahe, und du bist fern. Wie kannst du so mit ihm zusammentreffen? Ewig nicht, bis du dahin dich wendest mit ganzer Seele, wo er ist, dann wirst du ihn sogleich finden. Gewiss, der Herr, sein Licht, seine Gnade, sein Friede ist dir näher als das Sonnenlicht, wenn du ihm dein Herz auftust (Offb. 3,20). 0 Seelen, sperrt das Licht nicht hinaus, sonst wandelt ihr im Finstern, und die Finsternis hat keine Gemeinschaft mit dem Licht.

Jeder Gerechte ist ein Himmel der heiligen Dreieinigkeit. Denn dazu ist die Seele
geschaffen von Gott, dass ihr Geist ein Thron des Allerhöchsten sei, das Reich der Seele sein Sitz und die Leibeshütte seine Wohnung. - Darum kommt, kommt, ihr Lieben, lasst uns einkehren und gerne Besuche machen bei der ewigen Liebe, so werden wir alles Gute, dessen wir so sehr bedürftig sind, bei ihr finden, denn sie spendet so gern jedem ihre Gaben reichlich, der sie besucht und zu ihr einkehrt. 0 ihr Lieben, irret doch nicht außer euch in dem lrrgarten der Sinne, der Welt und Natur umher. - Inwendig ist das Reich der Wahrheit, Liebe und Herrlichkeit - auswendig Trug und Täuschung - zuletzt Verzweiflung. Keine Wahrheit wirst du recht erkennen lernen, wenn du nicht inwendig bei der Quelle der Wahrheit den Schlüssel dazu holst. Du wirst mit Worten der Wahrheit spielen, ohne zu wissen, was du sagst.

Den inneren Grund deiner Seele musst du durch herzliches Seufzen der Liebe zu deinem Gott in demütiger Unterwerfung gegen ihn öffnen, dich gerade unter Gott stellen, nicht vor, nicht rückwärts, - nicht um dich herum, sondern einzig hinaufschauen unverrückten Blicks, dann kann und wird das göttliche Licht unmittelbar in dich leuchten und der Strom seiner allbeseligenden Kraft ungehindert sich in dich ergießen. - Wer sich unter den Regen stellt, auf den strömt er gerade herab. Wer sich unter die Sonne stellt, auf den wirft sie ihre Strahlen unmittelbar hin. So sendet Gott seine Lichtstrahlen auf den ihm gerade zugekehrten Grund des Herzens. Die Sonne zieht auf, wenn sich nichts dazwischen stellt, aus der unter ihr liegenden Erde alle Unreinigkeit, Feuchtigkeit und Dünste, trocknet, reinigt und wärmt, so dass die aufgezogenen Dünste lichterfüllt und hell, ja glänzend werden. Eben das bewirkt die Sonne Gottes in einem ihr zugekehrten Gemüt, sie zieht den Geist zu sich, reinigt, läutert, erhellt und durchstrahlt ihn und macht ihn eins mit seinem Licht. Wer sollte sich dieser erhabenen Sonne nicht gern aussetzen, besonders da wir sie nahe haben können? Warum fliehst du sie und sitzest und tappst lieber im kalten Dunkel. Wie ungesund und wüst ist es, wo die Sonne nicht hinkommt! Wie muss es in einem Herzen sein, welches die göttliche Sonne nicht in sich hereinleuchten lässt, sondern immer im Finstern wandelt. 0 ihr lieben Kinder, sucht das wahre Licht, kehrt ein, setzt euch ihren Strahlen aus, lasst euer Herz recht von ihrer Wärme und Lichtkraft durchdringen, alles Unreine aus euch ausziehen und euch von ihr an- und aufziehen in die Regionen des Lichts. Kalt und unrein ist dein Herz, wenn du dich nicht in diese Sonne stellst und gerade unter sie stellst, um ihre Strahlen aufzufassen. Alle wilden Tiere werden in dir wohnen, wenn du ihr Licht fliehst.

Viele werden einst in jenes Leben gehen, welchen dieses Geheimnis der Nähe Gottes so fremd ist, als einem Dorfbauern der König des Landes und das schuldige Benehmen gegen ihn (oder die Hofsitte). So haben viele, die schon manche Jahre den geistlichen Schein getrieben, gute brave Leute geheißen haben und auch sein wollten, in bloßen Äußerlichkeiten ihr Genüge gefunden, dabei das wahre Leben des Geistes ganz und gar nicht kennen gelernt, die vom näheren Umgang mit Gott, der innigen Vereinigung mit ihm nichts wissen noch ahnen oder gar nichts wissen wollen. - Sie verstehen es auch gewöhnlich ebenso wenig als der deutsche Bauer das Latein. Sie beten, singen mit dem Mund, treiben alles handwerksmäßig und wähnen, mehr denn genug getan zu haben. Sagt man ihnen vom inneren Leben und der Vereinigung mit Gott, so lachen sie darüber als über Schwärmerei, oder wenn sie die Galle drückt, verschreien sie dich als einen gefährlichen Menschen. - Es ist für den äußeren Menschen zu wenig oder gar keine Ehre und Nutzen und kein Späßchen dabei, es ist zu ernst, sonst wären sie wohl auch dabei. Welch ein Rätsel wird für sie das künftige Leben sein! Wie weit werden sie mit ihren geistlos geübten Gesetzlichkeiten den innigen, vertrauten Freunden Gottes nachstehen und immer zurückbleiben.

Lasst euch daher nicht irremachen, wenn gleich nur wenige dafür sind, selbst unter so genannten Frommen und Erweckten. Es ist darunter viel Spreu und unreines Zeug, die auch aus der evangelischen Lehre eine äußere Gesetzlichkeit machen, aber den Geist des Lebens, der da lebendig macht in Christo Jesu (Röm. 8,2), nicht in ihr Herz lassen, bloß die Worte des Evangeliums im Munde führen, aber Gott, Christum nicht im Herzen wohnen lassen, viel weniger zu ihm einkehren und in ihm bleiben. Viele sind berufen, aber wenige auserwählt. Es sei daher einer oder keiner, der mit dir das Licht im Lichte sucht, bleibe du deswegen nicht in der Finsternis, weil sie diese mehr als das Licht lieben. Kehre du dich zu deinem Gott; suche die Sonne am Himmel, nicht im Keller, und Gott im Geist, nicht im Fleisch und in dem Sichtbaren. Aber sei mit ein paar Sonnenblicken nicht zufrieden, setze dich ihr ganz und recht aus, damit du von ihr ganz durchdrungen wirst.

Du aber, dem es ernst ist, den innigen Freundschafts- und Vereinigungsbund mit Gott zu schließen, stehe auf deiner Hut und tritt auf deine Feste und siehe zu (Hab. 3), dass du nichts Fremdes und Ungleiches einlässt, dass das Äußere sich nicht einschleiche in die Sphäre des Lichts, seien es nun Bilder, Gedanken oder sonstige innere und äußere Mannigfaltigkeiten. - Das heißt, bewahre, bewache dein Herz, dein Inneres, das Heiligtum des Herrn, in dir wohl, dass sich dein Herz an nichts hängt als an Ihn, dass sich kein Ding, kein Phantasiebild, keine Neigung, kein Götze oder Lieblingsgegenstand in dir festsetze. - Rein ab von allem und Christo an! Das sei dein Wahlspruch, den du in der Tat befolgen musst. Denn lässt du etwas in dein Herz einnisten neben dem Herrn, so wird er es rächen, (denn er kann nichts neben sich dulden), er wird dich mit großer Trockenheit und Dürre des Geistes züchtigen, du wirst in Gleichgültigkeit und Kälte gegen ihn verfallen. Das Gebet und jede fromme Übung wird dir zum Ekel werden, der Umgang mit dem Heiland eine Pein und Marter; du wirst alle Kraft dazu verlieren und nicht mehr wissen, was du anfangen sollst. Das sind die Früchte und Folgen, wenn sich das Herz neben Jesu an etwas hängt.

Doch widerführe dir das (wie es soeben beschrieben ist), so verliere doch den Mut nicht, noch weniger die Geduld. - Erwäge, ob nicht der Herr diesen Jammerzustand hat über dich kommen lassen, um dich vorsichtiger und behutsamer zu machen für die Zukunft, dass du künftig fleißiger dein wahrnehmest. - Verzagen musst du nie, sondern es immer wieder wagen. Der Herr züchtigt mit solchen Zuständen der Verlassung nur den Leichtsinn; weil man die Gnade oft leicht erhält, so achtet man sie nicht so hoch, als man sollte und verliert sie daher auch leicht wieder. Leicht gewonnen, leicht zerronnen. Oft ist es Strafe des Stolzes - man hat des Herrn Gnade als seine Kraft angesehen und sich selbst zugeschrieben und ist eitel geworden in seinen Gedanken. Nun nimmt sie der Herr weg, dass man sieht, was man ist. Demütige dich; dem Demütigen gibt Gott Gnade, dem Hoffärtigen widersteht er.

Darum strenge dich an, erneuere den Fleiß, wieder zurückzukehren zu deinem Gott. Je ernstlicher, kräftiger, reiner du das tust, umso näher, erhabener, inniger wird einst deine Seligkeit, deine ewige Wonne in Gott sein; je lauer du bist, um so mehr verminderst du dein ewiges Glück.

Der Herr hat dir und jedem aus uns großes Heil zugedacht und uns die Möglichkeit gegeben, es zu erreichen, sooft es nur unser ernster Wille ist, er hat uns Kraft verliehen, uns zu ihm zu erheben (uns einzuergeben in ihm), bis wir unser vollendetes Heil und unsere Seligkeit durch und in ihm errungen haben. - Ja, alle mögliche Kraft und Gnade ist uns geschenkt durch Christum; darum ist die Schuld nur unser, wenn wir nicht alles, uns von Gott zugedachte Heil erreichen. Die ganze Fülle der Gottheit hat sich uns in Jesus aufgetan, wir können, wenn wir nur wollen, alle Augenblicke in diese offene Fülle uns einsenken im Geiste, jeden Augenblick durch Glauben und innige Liebe uns mit Gott in Christo innigst vereinigen und uns ihm hingeben.

Und je reiner, wahrer, vollkommener dieses Eingehen in Gott ist, je inniger wir ihn allein meinen und suchen, je öfter wir uns darin üben, um so gewisser erhalten wir allemal eine neue Gnade, ein neues Licht, eine neue Reinigkeit, eine neue innere Nähe des Herrn. - Wie unverantwortlich daher, wenn wir, da wir dieses wissen und uns Tür und Tor dazu offen steht, es dennoch nicht tun? Wie stoßen wir selbst unser ewiges Heil mit Füßen weg, das uns der Heiland so nahe legt. Kinder, es ist ja nichts leichter und seliger als selig werden. Verdammt und unselig werden ist peinlich und schwer - aber auf dem Weg zum Heil wächst mit jedem Schritt unsere Seligkeit. 0, darum lasst uns auf dem einmal betretenen Weg nicht mehr umkehren, nicht mehr stille stehen, nicht säumen, vorwärts zu schreiten, lasst uns ohne Unterlass uns in den Ozean der Liebe werfen, so werden wir selbst lauter Liebe und Seligkeit werden. Er ist ja nahe, so nahe, dass wir ihn nicht näher haben könnten. So senke dich denn unablässig in ihn hinein - so gib dich ihm hin und lass dich ihm, bleibe in ihm - wie wird er dir so wohl tun. Kann er nicht mitten in Leiden, Schmach und Verfolgung gerade die größte Seligkeit und Freude ins Herz legen? Was für einen wunderbaren Heiland habt ihr?! Wollt ihr euch einen andern suchen? Ich dächte nein, das lasst ihr bleiben! - Wir bleiben bei ihm, denn er bleibt gern bei uns. - Und wer wird ihn uns nehmen? - Amen.